Rousseau's Bekenntnisse by Rousseau Jean Jacques
Autor:Rousseau, Jean Jacques [Rousseau, Jean Jacques]
Die sprache: deu
Format: epub
veröffentlicht: 2011-04-12T22:00:00+00:00
Zehntes Buch.
1758
Die wunderbare Kraft, die mir eine vorübergehende Aufwallung eingeflöÃt hatte, die Kraft, die Eremitage zu verlassen, verschwand, sobald ich fortgezogen war. Kaum war ich in meiner neuen Wohnung eingerichtet, als sich zu heftigen und zahlreichen Anfällen der Harnverhaltung eine neue Belästigung durch einen Bruch gesellte, der mich seit einiger Zeit quälte, ohne daà ich sein Vorhandensein wuÃte. Bald war ich eine Beute der schmerzhaftesten Krankheitserscheinungen. Mein alter Freund, der Arzt Thierry, besuchte mich und klärte mich über meinen Zustand auf. Sonden, Harnröhrchen, Bruchbänder, alle um mich her vereinte Schutzmittel gegen die Gebrechlichkeit des Alters lieÃen mich hart fühlen, daà man nicht mehr ungestraft ein junges Herz hat, sobald der Körper aufgehört, es zu sein. Die schöne Jahreszeit gab mir meine Kräfte keineswegs wieder, und ich brachte das ganze Jahr 1758 in einem Zustande von Ermattung zu, der mich zu dem Glauben brachte, daà mein Ende nahe wäre. Ich sah es mit einer Art von Eifer heranrücken. Von den Hirngespinsten der Freundschaft zurückgekommen, von allem losgelöst, was mich mit Liebe zum Leben erfüllt hatte, sah ich in ihm nichts mehr, was es mir hätte angenehm machen können; ich sah darin nur noch Leiden und Elend, die mich nicht zur Freude an mir selbst gelangen lieÃen. Ich sehnte mich nach dem Augenblicke der Freiheit und Errettung vor meinen Feinden. â Aber nehmen wir den Faden der Ereignisse wie«der auf.
Mein Rückzug nach Montmorency schien Frau von Epinay aus der Fassung zu bringen; wahrscheinlich hatte sie das nicht vermuthet. Mein trauriger Zustand, die Strenge der Jahreszeit, die völlige Verlassenheit, in der ich mich befand, alles hatte ihnen, nämlich Grimm und ihr, den Glauben beigebracht, daà sie, wenn sie mich bis zum AeuÃersten trieben, mich nöthigen könnten, um Gnade zu bitten und mich auf das tiefste zu erniedrigen, um in dem Asyle gelassen zu werden, das mir die Ehre aufzugeben gebot. Ich zog so rasch aus, daà sie nicht Zeit hatten, den Streich abzuwenden, und sie hatten nur die Wahl, alles auf das Spiel zu setzen und mich vollends zu verderben, oder den Versuch zu machen, mich zurückzuführen. Grimm entschied sich für das Erste; ich glaube indessen, daà Frau von Epinay dem andern den Vorzug gegeben hätte. Ich schlieÃe dies aus ihrer Antwort auf meinen Brief, in der sie den Ton, welchen sie in den vorangehenden angeschlagen hatte, bedeutend herabstimmt und die Thüre zur Versöhnung zu öffnen scheint. Die lange Verzögerung dieser Antwort, auf welche sie mich einen vollen Monat warten lieÃ, verräth zur Genüge die Verlegenheit, in der sie sich befand, ihr eine passende Wendung zu geben, und die Ueberlegungen, die sie vorher anstellte. Sie konnte nicht entgegenkommender sein, ohne sich bloÃzustellen, aber nach ihren vorhergehenden Briefen und nach meinem schnellen Verlassen ihres Hauses kann man sich nur über die Mühe wundern, die sie sich in diesem Briefe giebt, kein einziges unhöfliches Wort einflieÃen zu lassen. Ich will ihn hier wortgetreu veröffentlichen, damit man sich selbst ein Urtheil darüber bilde (Heft B, Nr. 23):
Genf, den 17. Januar 1758.
»Ihren Brief vom 17. December habe ich, mein Herr, erst gestern erhalten.
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